Blog

Unser Blog 

von Horst von Bohlen 20 März, 2020
Mit über 200-tausend an Coronavirus erkrankten Menschen weltweit, steht die Welt vor einer großen Herausforderung. Das Problem ist nicht die exponentiell verlaufende Infektionsrate, denn die ist wie bei den meisten Virenerkrankungen gleich. Das Problem ist die hohe Mortalitätsrate und der schwere Krankheitsverlauf dieser Erkrankung. Normalerweise hungern Viren aus, wenn zwischen 50 und 70% der Bevölkerung infiziert wurden. Das ist bei Corona auch so. Durch den heftigen Krankheitsverlauf würden die Gesundheitssysteme bei einer normalen Ausbreitung kollabieren, mit der Folge extrem hohen Mortalitätsrate. Experten schätzen um 8-10% tote. Die einzige sinnvolle Strategie ist Zeit zu gewinnen. Das geht nur, wenn die Ansteckung der Krankheit zeitlich verzögert wird. Was sich einfach anhört, hat gewaltige Konsequenzen auf unsere Gesellschaft. Wir müssen körperlichen Abstand zueinander bewahren, große Menschenansammlungen vermeiden und unsere Kontakte zeitlich und physisch auf ein Mindestmaß reduzieren. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind derzeit kaum einschätzbar. Trotzdem ist das Zeitalter der Digitalisierung für uns alle ein Segen. Webbasierte Anwendungen können uns gerade jetzt weiterhelfen. Konferenzen, Seminare, Schulungen, Besprechungen können problemlos abgedeckt werden. Das ganze Gebiet der Televersorgung wie z.B. Telemedizin, Therapie etc., werden mehr an Bedeutung gewinnen. Viele Nutzer entdecken und nutzen das Teleturnen wieder. Früher waren es VHS Videorecorder, heute sind es live Klassenzimmer, die sogar später on demand abgerufen werden können. Da Schulen geschlossen sind, müssen alle Schüler per Web ihre Aufgaben lösen. Auch hier können virtuelle Klassen stattfinden. Ist das die Zukunft? Die soziale Realität entsteht, wenn wir physisch uns treffen. Die Gruppendynamik ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Im Berufsleben treffen wir uns, um gemeinsam produktiv zu sein. Der Raum für diese Zusammenkünfte ist real. Jetzt dürfen wir nicht mehr diese Räume gemeinsam betreten. Aus dem realen Raum treten wir in einen gemeinsamen virtuellen Raum, der uns vor der Ansteckung schützt. Wir Kommunizieren über die Distanz und treffen uns in einem Scheinraum. Natürlich bleibt sehr viel Qualität im Austausch der Informationen auf der Strecke. Ob wir eine soziale Realität durch eine virtuelle Realität ganz ersetzten können, sei dahingestellt. Aus unserer Sicht ist es, in diesen Zeiten, eine hervorragende Alternative, die genutzt werden sollte. Wir haben viel Erfahrung mit webbasierten Anwendungen sammeln können. Da wir weltweit Mitarbeiter und Kunden unterschiedlicher Länder steuern müssen sind wir auf das Web angewiesen. Wir halten wöchentliche Besprechungen und Konferenzen in unterschiedlichen Sprachen, manchmal simultanübersetzt, mit gutem Erfolg ab. Schulungen, Empowerment-Talks und Empowerment-Classes werden live gehalten und on demand zur späteren Reflexion bereitgestellt. Das geht auch mit angeleitete Bewegungseinheiten sehr gut. Wir glauben, dass die virtuelle Realität bereits in unserm Leben allgegenwärtig ist. Wir können diese nutzten und in unsere soziale Realität einbauen. Das Knowhow ist da, die Technik ist vorhanden, der Nutzen groß; vor allem in Zeiten wie diese. Die virtuelle Welt hilft uns die derzeit notwendige Isolation zu überwinden. Wer hätte das gedacht.
von Horst von Bohlen 06 März, 2020
Möchte sich ein Unternehmen mehr in Richtung einer modernen, selbstorganisierten Organisationsform entwickeln, dann ist es ratsam, sich mit dem Phänomen der Gruppendynamik zu beschäftigen. In diesem Beitrag soll ein Überblick über Gruppenformen und gängigen Erklärungsmodellen erläutert werden. Warum ist eine Gruppe gut? Die Grundannahme für das Phänomen der Gruppendynamik ist, dass die Fähigkeit einer Gruppe unterschiedlich zu den einzelnen Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer ist. Das bedeutet, dass eine Gruppe in der Lage ist neue Fähigkeiten zu entwickeln, die die einzelnen TeilnehmerInnen in der Summe nicht erbringen können. Was ist eine Gruppe? Diese Fragen werden von unterschiedlichen Fachrichtungen auch unterschiedlich untersucht. Die soziologische Betrachtungsweise untersucht äußere Einflüsse wie Umwelt, Kultur, etc. Ferner werden sog. Soziale Kategorien berücksichtigt wie Hautfarbe, Bildungsstand, Sprache, etc. definiert. Die psychologische Betrachtungsweise beschäftigt sich mit den Einflüssen des einzelnen Teilnehmers auf die Gruppe. Speziell solche die durch Denken, Fühlen und Handeln verursacht werden (Persönlichkeitsmerkmale). Beide Ansätze sind hilfreich, um eine effektive Gruppenarbeit zu fördern. Merkmale von sozialen Gruppen Der österreichische Physiker und Sozialpsychologe Peter Hofstätter (1913-1994) gilt als einer der Pioniere auf dem Gebiet der sozialen Gruppen. Er beschreibt vier Merkmale, die eine Gruppendynamik in der Gruppe bestimmen: • Rollenverteilung • Soziale Interaktion • Gemeinsame Ziele • Wir-Gefühl (gemeinsame Identität) Ferner Definierte er fünf Gruppenarten, die Menge, die Masse, die Klasse, der Verband und die Gruppe. Seine Arbeit hilft die passende Struktur zu der Gruppenbildung zu erkennen und somit auch die Steuerung dieser Gruppen zu erleichtern. Gruppendynamik Hier helfen gängige Erklärungsmodelle, um die Entwicklung einer Gruppe zu erfassen. Einer der bekanntesten und beliebtesten Modelle ist das Phasenmodell nach Tuckman: 1. Forming / Formen 2. Storming / Sturmzeit 3. Norming / Normierung 4. Performing / Leisten 5. Adjourning / neu anpassen Es ist leicht verständlich und hilft den TeilnehmerInnen zu erkennen, wo sie sich gerade in der Gruppenarbeit befinden. Wer hat welche Rolle in der Gruppe? Hier soll Raoul Schindler (österreichischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (1923-2014)) erwähnt sein. Er definierte seine berühmten Rangdynamische Rollen • G: Gegenüber (Aufgabe) • Alpha (AnführerIn): • Beta (Experte/Expertin): • Gama (einfaches Mitglied): • Omega (Gegenposition; Advocatus Diaboli) Seine Arbeit beschreibt die Aufgabengstellung der Rollen innerhalb der Gruppe und die Bedeutung für das Ergebnis der Gruppenarbeit. Für Führungskräfte kann dieses Wissen sehr hilfreich sein. Dann ist der Weg von einer Arbeitsgruppe zu einem erfolreichen Team nicht mehr weit. Ein Team ist eine sehr stabile Arbeitsgruppe, die voller Selbstvertrauen sich um die Aufgabenstellung kümmert, weniger um Rangeleien und Macht. Moderne Alternativen zu klassischen Teams; die Themenspezifische Gruppe Eine moderne Gruppenstruktur ist die Themenspezifische Arbeitsgruppe. Diese fördert selbstorganisierte Institutionen. Sie hat Keine feste Rollenverteilung, sondern wird je nach Aufgabenstellung neu zusammengestellt. Die Gruppenleitung und andere Rollen sind nicht an Hierarchien gebunden, sondern alternieren. Die Aufgabe wird von der Unternehmensleitung vorgegeben. Idealerweise soll und darf die Arbeitsgruppe ohne die Präsenz eines Vorgesetzten arbeiten dürfen.
von Horst von Bohlen 03 März, 2020
Prolog NLP bedeutet "Neuro-Linguistisches Programmieren" und hat laut Autoren nichts zu bedeuten. Der Name ist aus der Not entstanden. So berichteten die zwei Autoren in ihrem Buch "Neue Wege der Kurzzeittherapie: Neurolinguistische Programme" (1981). Seitdem ist viel Zeit vergangen. Die Namensgebung hat eine passende Attribution bekommen und NLP ist nach wie vor als Kommunikationstool für Führungskräfte hoch im Kurs. In unseren Seminaren berichten viele TeilnehmerInnen über eine abgeschlossene NLP Ausbildung. Besonders wenn Teilnehmer und Teilnehmerinnen eine Coaching-Rolle innehaben. Das ist Grund genug, um sich mit NLP genauer auseinanderzusetzten. Geschichte Zunächst sollte zwischen Neuro-Linguistisches Programmieren und Neuro-Linguistische Psychotherapie unterschieden werden. In diesem Beitrag soll es ausschließlich um das NLP als Programmieren gehen. Diese Abgrenzung ist schwierig, weil es bei NLP um eine Sammlung von Kommunikationstechniken geht, die aber den Anspruch erhebt, aus verschiedenen Psychotherapierichtungen entwickelt worden zu sein. Die Autoren verweisen auf Koryphäen wie, Fritz Perls, Virginia Satir, Milton Erickson oder Moshé Feldenkrais. Die etablierten Psychotherapieformen der Gestalttherapie, Hypnotherapie und Kognitiver Verhaltenstherapie wurden in den 70ger Jahren im Human Potential Movement (HPM) von Bandler und Grinder entwickelt. Das HPM ist ein in USA gegründetes Forum, dass sich seit den 60ger Jahren um die Förderung von humanistisch-existentialistischen Psychotherapierichtungen und der Positiven Psychotherapie bemüht. Große Namen in der Psychotherapie wie, Victor Franckl, Fritz Pearls und Carl Rogers gaben den Impuls für das HPM. Später entwickelte sich HPM in eine fragwürdige Richtung. Dort fanden sich nach dem Ableben der erwähnten Koriphäen, die astrologische New Age Bewegung, die psychedelische Bewegung und instand Heilungen repräsentiert. Zurück zu Bandler und Grinder. Ihr gemeinsames Ziel war es aus den unterschiedlichen Psychotherapieverfahren die gemeinsamen Wirkmechanismen zu synthetisieren und in einer reinen Form weitervermitteln zu können. Sie vermuteten, dass es sich bei den Wirkfaktoren vor allem um die kommunikativen Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Therapeuten selbst handelt und nicht primär um die gewählte fachliche Ausrichtung. Es entstandt eine Sammlung von Kommunikationstechniken, die die Beziehungsebene in der Kommunikation ausschließt. NLP konnte seine Wirksamkeit wissenschaftlich bisher nicht nachweisen. NLP wird wissenschaftlich nicht anerkannt. Ausbildungen NLP-Practitioner NLP-Master, auch NLP-Master-Practitioner genannt NLP-Coach, DVNLP (Der Deutsche Verband für Neuro-Linguistisches Programmieren) NLP-Trainer ÖDV-NLP (Österreichischer Dachverband für Neuro-Linguistisches Programmieren) SWISS-NLP (Schweizerischer Verband für Neuro-Linguistisches Programmieren) NLP ist in Österreich eine staatlich anerkannte Methodik innerhalb der Berufsausbildung zum Lebens- und Sozialberater. Darüber hinaus ist die Neurolinguistische Psychotherapie – diese bedient sich der Methoden des NLP in Österreich offiziell als Psychotherapiemethode anerkannt. Auf europäischer Ebene gibt es die EANLP mit psychotherapeutischen Ausbildungen oder die MCTA mit Schwerpunkt auf Training und Coaching. Die Verbände sollen u. a. der Qualitätssicherung von NLP-Ausbildungen dienen. Kritik So sehr NLP durch den Erfolg auf der Weiterbildungsebene in der Wirtschaft seit den 90ger Jahren floriert, leidet ihr Ruf als unseriöse Methode. Kritiker bezeichnen NLP als Pseudowissenschaft und New-Age Form der Psychotherapie. Es gibt auch keinerlei Effektivitätsnachweise, NLP spielt in lehrakademischen Institutionen nur eine Rolle, nämlich klassisches Beispiel für einer vermarktbaren Pseudowissenschaft. Kriterien, wie sie üblicherweise an Evaluationsstudien gestellt werden (Kontrolliertheit, Randomisierung, Manualisierung, ansatzweise Verblindung u. ä.), werden nur selten erfüllt. Eines ist sehr deutlich, die Wirksamkeit von NLP beruht auf die verwendeten Elemente aus anderen Methoden (z.B VT - Operante Konditionierung ). Mittlerweile gibt es sehr viele Publikationen und Schriften, die NLP kritisch beleuchten. Hier ein Beispiel: link Was ist aus den NLP Väter geworden? Richard Bandler , der spätere Alkoholiker, Kokser und Frauenwürger, der auch in einem Mordfall verwickelt war, jedoch 1988 von der Jury freigesprochen wurde. Der Fall ist bis heute nicht geklärt. Ein kluger charismatischer Mensch, der es immer verstand, analytisch zu denken und zu rationalisieren. Sein eigenes Leben und seine Beziehungswelt sind katastrophal verlaufen. Nach wie vor lehrt Banlder NLP. John Grinder ist und war nicht so present in den Medien. Über ihn findet man wenig. Er arbeitet weiter an der Entwicklung von NLP. Seine Webpage ist unauffällig und schlicht, dort bietet er Kurse an. Fazit NLP begleitet mich seit 1990. Ich habe so ziemlich alles über NLP gelesen und ebenfalls Ausbildungen genossen. NLP hat mir keinesfalls geholfen, traumatische Erfahrungen zu bewältigen oder bessere Kommunikationsfähigkeiten zu erwerben. Manchmal kam es mir vor, dass andere Menschen eher mir mit Vorsicht und Misstrauen begegnet sind, weil sie von meinen NLP Kenntnissen wußten. Ich würde weder von NLP abraten noch dazu raten. Der bessere Weg ist sich vorab sehr genau zu erkundigen und das Für und Wider abzuwägen. Als wissenschaftlich orientierter Mensch wurde ich in meiner früheren Forschertätigkeit geschult, nur solche Methoden zu verwenden, die zugelassen und nachgewiesen sind. NLP hat mich jedoch verführt. NLP verspricht Kontrolle, Macht, Handlungsspielraum und Einfluss. Aus meiner heutigen Sicht kann ich folgendes berichten. Das alles hatte ich in der Tat. Ob NLP mir dazu verholfen hat, kann ich nicht beurteilen. Eines ist aber klar, NLP vergisst eine wesentliche Ebene, nämlich die Beziehungsebene. Diese wird auf eine Kognition reduziert, genauso wie der Umgang mit Trauma (Verletzungen). NLP fördert aus meinem Empfinden nicht die Integrität der eigenen Person und somit die Verantwortung über unser Handeln. Bandler hat es am eigenen Leib erfahren müssen. Er war unfähig mit der Eigenverantwortung umzugehen und noch unfähiger seine Beziehungsebene auf die Reihe zu bekommen. Dabei hat er sich intensiv mit der Arbeit von V. Satir beschäftigt. Gelernt hat er wenig davon. Epilog Wie werde ich in Zukunft auf NLP-Fragen in unseren Seminaren eingehen? Außerhalb des Seminars werde ich kritisch nachhaken und versuchen zu argumentieren. Während des Seminars werde ich Fragen zur Kenntnis nehmen und respektieren, aber um Verständniss bitten, diese nicht beantworten zu wollen. Alles was ein Mensch für sich tut hat eine Berechtigung für ihn. Das darf ein Seminarleiter nicht vergessen und nicht versuchen es jemanden wegzunehmen. Es wird im Berufsleben ohnehin oft genug richtiges falsch verstanden, auch von NLP-lern. Ich liebe die Worte von Ulvi Gündüz , ein Dichter und Autor zum Thema Kommunikation: Meistens sind es die richtigen Worte, die falsch verstanden werden.
von Horst von Bohlen 02 März, 2020
Als ich vor einiger Zeit in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit Sprenger lies, fühlte ich mich sehr wohl dabei. An Sprenger kommt man als interessierter Unternehmensberater nicht vorbei. Wer ist dieser Mann? Er ist promovierter Philosoph, hat Geschichte studiert, ist Psychologe und Betriebswirt. Damit nicht genug - er hat auch noch Sportwissenschaften studiert. Im Artikel der Süddeutschen Zeitung, wird er wie folgt präsentiert: „Der Querkopf Wenn Reinhard K. Sprenger, 66, laut Financial Times "der einzige Management-Guru, der diesen Titel wirklich verdient", über Jahresgespräche redet, wird es lustig. Der Doktor der Philosophie zerpflückt sie so genüsslich wie unerbittlich, und die Firmen, die daran festhalten, dazu. Sprenger beleuchtet formelle Themen der Arbeitswelt auf überraschender Weise, was wohl Grund dafür sein durfte, dass sich seine zahlreichen Werke hervorragend verkaufen - sein Klassiker "Mythos Motivation" (2010) etwa bis heute 800 000 Mal. Sprenger lebt in Winterthur und Santa Fe, New Mexico, wo er derzeit an einem neuen Buch über Konflikte schreibt.“ Seine Bücher sind sehr empfehlenswert und wurden alle zu Bestsellern. Sprenger zählt zu den profiliertesten Wirtschaftsberatern und für die DAX-100-Unternehmen als Berater tätig. Seine Werke sind in mehreren Sprachen erschienen. Sehr zu empfehlen ist sein Werk: "Das anständige Unternehmen" Das Buch verdeutlicht die Auswirkungen des Berufslebens auf die Person und die Gesellschaft. Dabei plädiert Sprenger auf Veränderungen im Management. Seine klare und frische Sprache appelliert sehr deutlich an Entscheidungsträger zu handeln. Hier eine Beschreibung zum Werk: "Was wir gewinnen, wenn wir vieles im Management einfach nicht mehr tun." Menschen erleben Wirtschaft vor allem am Arbeitsplatz. Wie sie täglich in ihren Unternehmen behandelt werden, wie Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter mit ihnen umgehen, das nehmen sie mit nach draußen und hinein in ihre Familien, in den Freundeskreis. Kurzum: Was uns am Arbeitsplatz widerfährt, hat direkte gesellschaftliche Auswirkungen – und diese können gewaltig sein.
von Horst von Bohlen 01 März, 2020
Vorwort Persönlichkeitsprofile sind in der Wirtschaft seit gut 40 Jahren beliebt. Leider sind diese Produkte sehr einseitig, denn sie bilden eine idealisierte Welt rund um die Persönlichkeit eines Menschen ab. Nur Positiv gibt es nicht. Eine kritische Betrachtung über eine durchwegs narzisstische Realitätsbildung. Wasch mich, aber mach mich nicht nass! In 30 Jahren Berufserfahrung lernt man eine Menge über Menschen im Arbeitsfeld. Als Führungskraft erst recht. Wenn man dazu auch noch sich intensiv mit Arbeits- und Betriebsorganisation beschäftigt, ein Teilgebiet der Arbeitspsychologie, dann weiß man wie komplex die Materie ist. Es gibt wohl kaum kompliziertere Modelle, die den Zusammenhang der Person im System „Arbeitsfeld“ zu beschreiben versuchen. Ich erinnere mich mit Grausen an die Pflichtlektüre „Arbeitspsychologie“ von Eberhard Ulich. Da ist es schon angenehmer sich mit den Zusammenhängen zwischen Arbeitszufriedenheit und Lebenszufriedenheit zu beschäftigen. Der Wirtschaft interessiert das herzlich wenig, es sei denn, sie kann daraus Profit schlagen. Das ist auch legitim und soll nicht in Frage gestellt werden. Demnach ist es verständlich, dass Persönlichkeitsmerkmale im Zusammenhang mit der zu erfüllenden Arbeitsrolle von Interesse sind. Welcher Typ ist für welche Aufgabe gut, welche Eigenschaften braucht es für bestimmte Aufgaben. Selbstverständlich müssen Tests diese Klassifizierung zuverlässig erfassen. Das DISC (G) Inventar Diese Methode wirbt weltweit mit der Aussage Persönlichkeitsprofile von MitarbeiterInnen für Unternehmen zur Steigerung der Performance klassifizieren zu können. Was ist DISC DISC ist eine der zahlreichen Typologien und beruht auf die Arbeit von William Moulton Marston, ein amerikanischer Psychologe, der hauptsächlich bei der Entwicklung des Lügendetektors eine große Rolle gespielt hat. Er selber hat nicht DISC entwickelt, sondern seine Arbeit über Typologien dienten als Vorlage für J. G. Geier, ebenfalls Psychologe und Unternehmer der 1979 maßgeblich den Test entwickelte. Es dauerte bis 2008, als Inscape Publishing die erste Version des aktuellen Online-Testsystems Everything DiSC publizierte. Die Validierung im Vergleich zu anerkanntem psychologischem Test wurde erst 2015 von Scullard & Baum im Verlag John Wiley & Sons publiziert. Diese stößt jedoch auf große Kritik, da methodisch nicht nach den gültigen Forschungskriterien vorgegangen wurde. Methodische Kritik Ein praktischer Nutzen dieser Art ist nach David Myers oder Hermann-Josef Fisseni nur möglich, wenn das zugrunde liegende Modell validiert wird. Dies ist im Falle des DISG-Modells nicht gegeben. Die Angaben zur Normierung (Eichung), Zuverlässigkeit (Reliabilität) und Gültigkeit (Validität) des DISG haben sich nach Cornelius König und Bernd Marcus als nicht stichhaltig erwiesen. Die Autoren kommen zu dem Schluss: Validierungen hinsichtlich berufsrelevanter Kriterien werden für keine der Versionen berichtet – empirische Belege für die Praxistauglichkeit fehlen ebenfalls. Inhaltliche Kritik Die gemessenen Ebenen repräsentieren nur ein Bruchteil der Persönlichkeitseigenschaften wieder. Diese idealisieren Teil-Konstrukte von Persönlichkeitseigenschaften und vermeiden dazugehörige, verbundene Charaktereigenschaften. Daher ist DISC aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in der Lage, praktische Handlungsempfehlungen für eine Personalentwicklung zu liefern. Die fehlende Validierung, die fehlende belegbare Evidenz werden nicht durch die vielen Evaluationen aus den populären Trainings und Coachings auf Persönlichkeitsentwicklungsunternehmen wettgemacht. Auch zum Einsatz als Reflexionshilfe fehlen empirische Belege. Solange solche Evidenz nicht vorliegt, kann der Test weder für Entwicklungs- noch für Auswahlzwecke empfohlen werden! Fazit Auch wenn die Popularität von DISC häufig in der Wirtschaft als Mess- und Steuerungsinstrument in der Personalentwicklung eingesetzt wird, sollte doch darüber nachgedacht werden, welche qualitative Aussagekraft diese Typologie im Stande ist zu liefern. Persönlichkeiten sind nicht überwiegend dominant, initiativ, stetig, oder gewissenhaft. Die benutzten Unterkategorien entsprechen nicht der tatsächlichen untersuchten und nachgewiesenen Eigenschaften des Menschen. Ganze Unternehmen auf derart wackligen Annahmen strategisch aufzusetzen, halte ich für äußerst bedenklich. Die Realität der Persönlichkeit ist nicht Grün, Rot, Blau und Gelb. Ganz besonders kritisch ist es, wenn sogar die Attribute in den einzelnen Unterkategorien nicht durch evidenzbasierte Untersuchungen den entsprechenden Feldern, also scheinbar willkürlich, zugeordnet wurden. DISC ist ein "wasch mich, aber mach mich nicht nass“ System. Es klingt positiv, lieb, vielversprechend, wertschätzend, mutmachend und scheint gut anzukommen. Es erfeut die Nutzer und die Probanten. Die Realität wie wir strukturiert sind, ist aber weit davon entfernt. __________________________________________________________ Meine Test Werte von heute für: DISC: 38% gewissenhaft (grün) und 13% initiativ (rot) oder auch 31% dominant (grün) und 13% stetig (blau) Eine Interpretation des Ergebnisses ist mir nicht möglich, da mir die Kenntnisse fehlen und über keine DISG Zertifizierung verfüge. Es gibt zwar online Interpretationen, die ich aber nicht verwenden möchte. Eine mögiche Alternative zu DISC und ein durchaus beliebter Test B5T / zur Durchführung und Nutzung muss eine Lizenz muss erworben werden. Link: hier . Diese ist relativ Preisgünstig, die Fragebögen müssen händisch ausgefüllt und ausgewertet werden. Eine Auswertungshilfe wird in Excel-Form mitgeliefert. Die Interpretation erfordert Fachwissen und Erfahrung. Daher sollte diese Aufgabe jemandem überlassen werden, der sich damit auskennt. B5T ist gut dokumentiert, Validität und Reliabilität sind nachgewiesen, Stichproben aufgeführt. Mit 72 Fragen ist der Test recht ökonomisch, die Testdauer wird mit 20-30 Minuten angesetzt. Der Test kann auch kostenlos online gemacht werden. Eine kommentierte Auswertung und Interpretation erfolgt unmittelbar. Achtung: die Interpretation ist nur eine erste Annäherung und darf nicht ohne Erlaubnis des Onlineportals gewerblich genutzt werden! Daher ist es ratsam eine Lizenz zu erwerben und die Interpretation geschulten Psychologen zu überlassen. Ergebnis -> umgesetzt auf Big Five Kategorien Neurotizismus: Sie neigen nicht zu übermäßiger Unruhe, Nervosität oder Ängstlichkeit und können mit Stress und Druck in der Regel gut umgehen. Extraversion: Sie sind sehr, kommunikativ, gesellig und unternehmungslustig. Offenheit: Sie sind außergewöhnlich offen und aufgeschlossen und interessieren sich sehr für Musik, Literatur oder Wissenschaft. Gewissenhaftigkeit: Sie sind ein durchschnittlich gewissenhafter und ordentlicher Mensch. Soziale Verträglichkeit: Und dabei sind Sie ein durchaus höflicher und diplomatischer Mensch. Ihre Rolle als Team-Player ist jedoch ausbaufähig. Zusätzliche Information über Grundbedürfnisse Ihre Grundbedürfnisse Bedürfnis nach Anerkennung: Sie sind wenig leistungsorientiert. Auch Anerkennung durch andere ist Ihnen weniger wichtig. Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe: Sicherheit und Planbarkeit sind für Sie Werte, an denen Sie sich durchaus orientieren. Bedürfnis nach Einfluss und Macht: Sie sind durchaus daran interessiert, wichtige Dinge im Leben mitzugestalten, sehnen sich dabei aber nicht unbedingt nach Macht und Einfluss. __________________________________________________________ Annerkannte Persönlichkeits-Testverfahren, die oft im Berufsfeld eingesetzt werden: FPI -R Freiburger Persönlichkeitsinventar Quelle NEO-PI r und BIP Quelle 16PF Quelle Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T) Quelle __________________________________________________________ Literatur Friedbert Gay: Persönliche Stärke ist kein Zufall – Das DISG-Persönlichkeitsprofil. 36. Auflage. 2007, ISBN 978-3-89749-352-0. Friedbert Gay: Das DISG-Persönlichkeits-Profil. 27. Auflage. Offenbach 2003, ISBN 3-923984-44-8. W. M. Marston: Emotions Of Normal People. London 1928. Lothar J. Seiwert, Friedbert Gay: Das neue 1x1 der Persönlichkeit. Gräfe & Unzer, 2004, ISBN 3-7742-6161-X. Julie Straw: The 4-Dimensional Manager - DiSC Strategies for Managing Different People in the Best Ways - An Inscape Guide. San Francisco 2002, ISBN 1-57675-135-X. (Anmerkung: Julie Straw ist Vizepräsidentin der Vertriebs- und Trainingsabteilung der Inscape Publishing Inc.) Mark Scullard & Dabney Baum: Everything DiSC® Manual. John Wiley & Sons Inc., Minneapolis 2015, ISBN 978-1-119-08067-1 John G. Geier (Hrsg.) (1979), Emotions of Normal People von William Moulton Marston, mit der Einleitung und Interpretations: References, and a Presentation of a New Construct - Situation Perception Analysis von John G. Geier. John G. Geier mit Dorothy E. Downey (1989), Energetics of Personality. John G. Geier (1989), Personality Analysis. John G. Geier (1992), The personality factor profile: Quality and productivity through the human factor. John G. Geier (1993), Job perception inventory: A graphic presentation of your job. John G. Geier mit Dorothy E. Downey (1996), Career Fulfillment: Strategy and Tactics. John G. Geier (2008), persolog Persönlichkeits-Profil. 1930) Walter B. Pitkin, William M. Marston, The Art of Sound Pictures. Appleton, New York. (1931) Integrative psychology; a study of unit response (mit C. D. King, E. H. Marston). Harcourt, Brace, London, England. (c. 1932) Venus with us; a tale of the Caesar. Sears, New York. (1936) You can be popular. Home Institute, New York. (1937) Try living. Crowell, New York. (1938) The lie detector test. Smith, New York. (1941) March on! Facing life with courage. Doubleday, Doran, New York. (1943) F. F. Proctor, vaudeville pioneer. (with J. H. Feller). Smith, New York. (1999; Erstveröffentlichung 1928) Emotions of Normal People. Taylor & Francis Ltd, ISBN 0-415-21076-3. Allport, G. W. (1937). Personality: A psychological interpretation. New York: Henry Holt. Boyd, S. E. (2010) A Comparison of the Reiss Profile with the NEI PI-R Assessment of Personality. Masters Theses. Online im Internet: URL: http://uknowledge.uky.edu/gradschool_theses/73 Bühner, M. (2010). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. Pearson Studium. Cattell, R. B. (1957). Personality and Motivation Structure and Measurement. New York: World Book Cattell, R. B. (1965). The Scientific Analysis of Personality. London: Penguin. Costa, P. T., Jr. & McCrae, R. R. (1985). The NEO Personality Inventory Manual. Odessa, FL: Psychological Assessment Resources. Daniel, J.U. & Schuller, I.S. (2000). Burnout in teachers’s profession: Age, years of practice and some disorders. Studia Psychologica, 41 (1-2), 33-41. Eysenck, H. J. (1947). Dimensions of Personality. London: Routledge & Kegan Paul. Garland, R. (1991) The Mid-Point on a Rating Scale: Is it Desirable? Marketing Bulletin, 1991, 2, 66-70, Research Note 3. Goldberg, L. R. (1981). Language and individual differences: The search for universals in personality lexicons. In Wheeler (Ed.), Review of Personality and social psychology, Vol. 1, 141–165. Beverly Hills, CA: Sage. Grundy, S.E. (2000). Perceived work-related stressors, personality, and degree of burnout in firefighters. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering, 61 (3-B), 1685. Jones, D. (2006). Not all successful CEOs are extroverts. USA Today. Online im Internet: URL: http://www.usatoday.com/money/companies/management/2006-06-06-shy-ceo-usat_x.htm Judge, T. A., Heller, D. & Mount, M. K. (2002). Five-Factor model of personality and job satisfaction: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 87, 530-541. Jung, C.G. ([1921] 1971). Psychological Types, Collected Works, Volume 6, Princeton, N.J.: Princeton University Press. Kim, H. J., Shin, K. H., Swanger, N. (2008). Burnout and engagement: A comparative analysis using the Big Five personality dimensions. International Journal of Hospitality Management. Laux, L. (2008). Persönlichkeitspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer. Lim, B. & Ployhart, R. E. (2004). Transformational leadership: Relations to the five-factor model and team performance in typical and maximum contexts. Journal of Applied Psychology, 89, 610-621.Satow, L. (2012). Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T): Test- und Skalendokumentation. 36 McClelland, D. C. (1958). Methods of measuring human motivation. In J. W. Atkinson (Ed.), Motives in fantasy, action, and society (pp. 7-42). Princeton, NJ: D. Van Nostrand Company, Inc. Murray, H. A. (1938). Explorations in personality. New York: Oxford University Press Norman, W. T. (1963). Toward an adequate taxonomy of personality attributes: Replicated factor structure in peer nomination personality ratings. Journal of Abnormal and Social Psychology, 66, 574–583. Reiss, S. (2008). The Normal Personality: A New Way of Thinking about People. Cambridge University Press Satow, L. (2012). Skala zur Erfassung von Testverfälschung durch positive Selbstdarstellung und sozialerwünschte Antworttendenzen (SEA). Skalendokumentation und Normen sowie Fragebogen mit Instruktion [PSYNDEX Tests-Nr. 9006446]. In Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) (Hrsg.), Elektronisches Testarchiv. Trier: ZPID. Schaufeli, W. B. & Enzmann, D. (1998). The Burnout Companion to Study and Practice. A critical analysis. London, Philadelphia: Taylor & Francis. Schmidt, F.L. & Hunter, J. E. (1998). The Validity and Utility of Selection Methods in Personnel Psychology: Practical and Theoretical Implications of 85 Years of Research Findings. Psychological Bulletin, 124 (2), 262-274. Schuler, H. (2005). Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen: Hogrefe.
von Horst von Bohlen 25 Feb., 2020
Zunächst sollte der Unterschied zwischen klassischen, zertifizierten Weiterbildungen wie Schulausbildungen, Studiengängen, Berufsausbildungen, etc. und den nichtformalen Ausbildungen unterschieden werden. Dazu gehören Seminare und Lehrgänge. Die dritte Ausbildungsform sind informelle Fortbildungen wie lesen von Fachliteratur, Besuch von Tagungen und Kongresse. Wieviel wird in Weiterbildung investiert? Laut einer Studie vom Institut für Höhere Studien aus 2009 wurden in Österreich 2,6 Milliarden Euro im Jahr aufgewendet. Die Unternehmen investieren davon immerhin mit 34 Prozent knapp ein Drittel der Ausgaben. In Deutschland ist im Schnitt jeder Mitarbeiter zehn Stunden pro Jahr in Lehrgängen, internen Seminaren und selbstgesteuertes Lernen in Weiterbildungen. Zehn Stunden pro Jahr im Schnitt erscheinen jedoch sehr wenig, denn außer den staatlichen Förderungen und der Unterstützung von Verbänden für Weiterbildungsmaßnahmen, wäre ein gesetzlicher Anspruch oder gar eine Plicht zur Weiterbildung sinnvoll. Freilich ist die Argumentation der Arbeitgeber, Fort- und Weiterbildung muss sich nach den Bedürfnissen der Unternehmer richten, durchaus nachvollziehbar. Nach eigenen Angaben investieren Unternehmen 33,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Wie handhaben Vorgesetzte Fort- und Weiterbildungen für ihre MitarbeiterInnen? Laut Hays im letzten Report „Lebenslanges Lernen“ wurden Entscheidungsträger von repräsentativen Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu der Thematik befragt. Die Auswertung ergab, dass 30% der Betriebe keine Regelung für Fort- und Weiterbildung haben und die Vorgesetzten individuelle Regelungen mit ihren MitarbeiterInnen vereinbaren. 67% der befragten Entscheidungsträger berichten, dass die Verantwortung über die Form und den Inhalt der Ausbildung in der Verantwortung der MitarbeiterInnen liegt. Nur 14% der Angestellten verfügen über ein Budget das selbstverantwortlich genutzt werden kann. Hier zeigt sich eine gewisse Widersprüchlichkeit in den Aussagen von Führungskräften und mit Sicherheit ein Hinweis für Regelungsbedarf. Da qualifizierte Arbeitskräfte immer seltener werden, können Unternehmen bei der Personal-Akquisition nicht nur durch anständige Gehälter, Home-Office und gute Arbeitsbedingungen, mit Förderungen von Weiterbildungsmaßnahmen punkten. Das sollte sich auch in der Personalfluktuation positiv auswirken. https://www.weiterbildungsmarkt.net/magazin/investition-in-die-wettbewerbsressource-wissen/ https://www.hays.at/personalvermittlung/personaldienstleister/standorte/wien
Weitere Beiträge
Share by: